10/2019 Seekaskoversicherung - die neue Wirklichkeit

Die Entwicklung der letzten 12 Monate im Bereich der Seeversicherung, insbesondere im Seekaskobereich, gleicht einem Erdbeben. Nach einem Jahrzehnt der soft markets mit Überkapazitäten und hohen Verlusten auf Seiten der Transportversicherer hat sich die Lage ins andere Extrem umgekehrt.

Exemplarisch für die gesamte internationale Branche steht hierfür die Aussage eines asiatischen Versicherers, die wir bei einer der letzten Kasko-prolongationen erhalten haben. Auch eine Erhöhung der Prämie um 75% (!) konnte ihn nicht umstimmen:

„These were years we were hit by several major losses as the result of severe grounding, fire on board, and collision. We are asked to improve our performance immediately to our authority who intends to shift capacity available to the business that could generate more reasonable result. Thus, you can image that we are under huge pressure to manage this line of business. Our target is clear and explicit, to be profitable immediately and focus on what we can do for this phase.“

Aktuelle Lage internationale Transportversicherung
Nach den aktuellen Berichten der International Union of Marine Insurance (IUMI) lässt auch das Jahr 2018 bei Gesamtprämieneinnahmen von rund USD 7 Mrd. und einer prognostizierten L/R von 90% wieder einen Verlust in Milliardenhöhe erwarten. Bereits die beiden Jahre zuvor wiesen ähnliche Verluste aus.

Die Sparte Seekaskoversicherung konnte gar seit 2005 überhaupt nur in 3 Jahren einen Überschuss erzielen.

Diese Ergebnisse sind für die Seekasko-Versicherer umso alarmierender, als sie in den letzten 3 Jahren kaum Großschäden jenseits von USD 30 mio. zu verzeichnen hatten. Dass die Ergebnisse der letzten 3 Jahre für die Versicherer dennoch zu den schlechtesten seit der Jahrtausendwende gehören, liegt in den Überkapazitäten und dem starken Wettbewerb der vergangenen Jahre sowie der fehlenden Underwriting Disziplin vieler Versicherer im Verhältnis zum Schadensaufkommen begründet.

Dieses hat nach Angaben des Analysehauses Drewry dazu geführt, dass die Prämien im Bereich P&I in den letzten 4 Jahren um 30-40% gefallen sind und im Kaskomarkt noch weit darüber hinaus. Während im Bereich P&I diese Reduzierungen durch moderate Schadensjahre, hohe Reserven und Investitions-gewinne aufgefangen werden konnten, war dieses im Bereich des Seekaskogeschäfts aufgrund des weiterhin hohen Schadensaufkommens nicht möglich und führte zu den dramatischen Verlusten bei den Versicherern.

Lloyd’s Versicherungsmarkt
Ein Ausgangspunkt für die aktuelle Situation war sicherlich die Entwicklung auf dem Lloyd‘s Versicherungsmarkt seit Mitte 2018.

Nachdem das Gesamtergebnis des Lloyds Versicherungsmarktes im Jahr 2017, auch verursacht durch die schwere Hurrikan-Saison, und in der ersten Hälfte 2018 in den negativen Bereich abrutschte, war die Unzufriedenheit bei Lloyds groß. Den Syndikaten wurden daraufhin durch die Lloyds Aufsicht deutliche Auflagen gemacht. Sie sollten kurzfristig die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um alle Sparten wieder in die schwarzen Zahlen zu führen und mussten sich entsprechende Business Pläne genehm-igen lassen, um das Geschäft weiterführen zu dürfen.

Dass dieses deutliche Auswirkungen auf die notorisch defizitäre Seekaskosparte hat, war bereits im 4. Quartal 2018 zu erkennen und hat sich in den letzten 10 Monaten weiter verfestigt.

Mittlerweile haben mehr als ein Dutzend Lloyd’s Syndikate ihr Geschäft eingestellt und alle anderen, die noch im Bereich Transportversicherung und Seekasko tätig sind, haben klare Vorgaben, was die Profitabilität angeht, und legen daher hohe Anforderungen und Prämien zu Grunde.

Ein gutes Beispiel für die Entwicklung der letzten Jahre ist das Standard Syndikat 1884, welches aus Diversifizierungsgründen vom Standard P&I Club mit einer 86%-igen Beteiligung im Jahre 2015 gegründet wurde. Zwar war den Verantwortlichen bewusst, dass man in den ersten Jahren Verluste einfahren würde, um auf dem Seekasko-Markt Fuß zu fassen und Kapazitäten aufzubauen. Die Überkapazitäten und der Wettbewerb in den letzten Jahren haben aber zu derart niedrigen Prämien und hohen Verlusten geführt, dass angesichts der Anforderungen der Lloyds Aufsicht aus Sicht des Standard Club ein profitables Seekaskogeschäft im aktuellen Markt kaum möglich ist. Die Combined Ratio für 2018 wurde vom Standard Syndikat 1884 mit 159,6% angegeben. Dieses führte zur Einstellung des Geschäftes zum Ende 2018. Das Syndikat befindet sich nun in der Abwicklung. Standard’s Chief Executive Office Jeremy Grose begleitete dieses mit folgenden Worten:

„Overcapacity and a weak pricing environment have made it an increasingly challenging environment in which to underwrite profitably. On this basis, the board decided that the club would withdraw from underwriting at Lloyd’s from 2019.

Für den Verlust in 2018 und die Abwicklungskosten wurde von Standard eine Rückstellung von USD 50 mio. gebildet. Die gleichen Konsequenzen zog neben weiteren Syndikaten auch der P&I Club Skuld für sein Syndikat 1897 per 01.07.2019. Die Combined Ratio für 2018 wurde mit 121,5% angegeben. Skuld wird aber weiter, voraussichtlich deutlich disziplinierter, Seekasko über Skuld Hull/Skuld Marine Agency in Oslo zeichnen.

Bereits Anfang des Jahres sagte Dominick Hoare, Chief Underwriting Officer der Munich Re. über die Zukunft des Lloyd’s Marine Marktes: „Lloyd’s might find itself a marine insurance desert in the next year or two, unless Owners take a double-digit percentage point rate hike on the chin.“

Ausblick
Die vorgenannten Probleme betreffen den internationalen Versicherungsmarkt. Mittlerweile habe sich über 20 Versicherer komplett vom Seekaskogeschäft verabschiedet und weitere zeichnen nur noch sehr restriktiv. Die Zeiten preiswerter Kapazitäten auf dem asiatischen Markt sind vorbei, was den Prämiendruck zusätzlich erhöht.
Die deutschen und skandinavischen Versicherer mit traditionell hohen, eher marktgerechten Prämien bauen Ihre Kapazitäten aus, sind sich ihrer guten Position aber bewusst und fordern bei mittelmäßig bis schlechtlaufenden Flotten deutliche Erhöhungen.

Die Schadensentwicklung des Jahres 2019 mit zahlreichen Großschäden und die neuen Regelungen und Umweltvorschriften in der Schifffahrt werden den Druck auf den Seekaskomarkt weiter erhöhen.
Vor 2 Jahren noch unvorstellbare Prämienerhöhungen von 50% bis 100% oder sogar darüber hinaus sind nicht mehr unüblich und sogar schadensfreie Flotte müssen aufgrund der vorgenannten Entwicklungen teils deutliche Prämienerhöhungen schlucken.

Eine Besserung oder neue Kapazitäten sind aktuell nicht in Sicht und es bleibt zu hoffen, dass das Schadensaufkommen in den kommenden Jahren moderat bleibt, die Versicherer schwarze Zahlen schreiben und das Vertrauen wieder wächst.