03/2015 Was bieten die neuen ADS DTV 2009, September 2015 im Vergleich

Wir möchten Sie hiermit darüber informieren, dass die neuesten Verbandsempfehlungen des GDV für die See(kasko)versicherung in Form der ADS DTV 2009, September 2015 auf der GDV Webseite http://www.tis-gdv.de/tis/bedingungen/avb/see/see.html zum Download bereit stehen.

Eine Synopse, aus der die Änderungen zu den ADS DTV 2009 hervorgehen, findet sich dort allerdings nicht.

Den ADS DTV 2009, September 2015 ist offenbar eine Version Mai 2015 vorausgegangen, die noch einmal überarbeitet wurde. Wir hatten bislang keine Informationen zu diesem Vorgang. Es zirkuliert aber eine Synopse der Änderungen von Mai 2015 zu September 2015, die wir Ihnen gerne zur Verfügung stellen können. Die Synopse, welche vermutlich von der Kanzlei Dabelstein und Passehl entworfen wurde, stellt die Veränderungen der ADS DTV 2009 in der Fassung vom September 2015 zu den bereits erfolgten Änderungen Stand Mai 2015 heraus.

Zum Hintergrund:

Die ADS DTV 2009 sollen die bisherigen Vorschriften aus ADS 1919, DTV KK 1978, Seekasko- Druckstücken und Maklerklauseln ersetzen. Erstmals werden auch LoH und War Risk mit geregelt.

Die Tatsache, dass diese Bedingungen „im stillen Kämmerlein“ ohne Beteiligung der Reederschaft erarbeitet wurden, sorgte bei Markteinführung der neuen Bedingungen für Unmut bei den Marktteilnehmern.

Der VDR als Sprachorgan der Reederschaft hatte bei der Markteinführung erhebliche Bedenken gegen die vorgeschlagenen Regelungen.
 
Es bestehen bei aller Kritik am Inhalt und am Zustandekommen der neuen Regelungen jedoch auch Argumente für die Anwendung des neuen Bedingungswerks. So sind zwar die ADS 1919 / DTV KK 1978 (92), Seekasko-Druckstücken und mit eventuellen Maklerklauseln absolut marktgängig, aber recht schwer und nur für Spezialisten verständlich. Die Seeversicherungsbedingungen sind seit der Seerechtsnovelle 2008 gesetzlich nicht mehr geregelt (es gilt nur noch das BGB), und die vom Markt erarbeiteten Bedingungen sind daher als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu betrachten. Im Rahmen eines Gerichtsprozesses kann ein Gericht die AGB im Rahmen der AGB Kontrolle auseinandernehmen und für unwirksam erklären. Daher sind die alten Bedingungen AGBmäßig als kritisch zu bezeichnen, weil nicht ersichtlich ist, wer und was eigentlich genau versichert ist (Stichwort Contract Certainty / Transparenzgebot).

Wesentliche Punkte:

Im Einzelnen sind folgende wesentliche Punkte hervorzuheben, die sich aus dem Wechsel von ADS 1919 / DTV Kaskoklauseln 1978(92), etc. auf die neueste Version ADS DTV 2009, September 2015 ergeben würden:

Interessant ist bereits der Komplex der vorvertraglichen Anzeigepflicht. Die alten Bedingungen sahen in §§ 19 ff ADS vor, dass der Versicherungsnehmer bei der Schließung des Vertrages alle ihm bekannten Umstände anzeigen musste, die für die Übernahme der Gefahr von Bedeutung sind. Gefahrerheblich sind dabei alle Umstände, die geeignet sind, sich auf den Entschluss des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder mit dem vereinbarten Inhalt abzuschließen.

Die Rechtsfolge der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht ist in § 20 ADS geregelt. Demnach ist, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei. Ist die Anzeige deshalb unterblieben, weil der Versicherungsnehmer den erheblichen Umstand nicht angezeigt hat, weil der Versicherungsnehmer ihn aufgrund grober Fahrlässigkeit nicht kannte, rettet ihn das nicht: Nur die einfache Fahrlässigkeit bzw. das Unterbleiben der Anzeige ohne Verschulden des Versicherungsnehmers lässt insoweit den Versicherungsschutz bestehen.

Die alte Regelung bietet allerdings Gestaltungsspielraum, wie die Formulierung „soweit nicht ein anderes bestimmt ist“ zeigt: Es liegt beim Versicherungsnehmer und seinem Makler, eine andere Sanktion als die Leistungsfreiheit auszuhandeln.

Die neue Regelung sieht in Ziff. 22.2 ADS DTV 2009, September 2015 bei unvollständigen oder unrichtigen Angaben des Versicherungsnehmers (und neu: seines Vertreters!) zum einen vor, dass der Versicherer von der Leistung frei ist. Wenn der Versicherungsfall bereits eingetreten ist, darf der Versicherer sich nicht auf die Leistungsfreiheit berufen, wenn der Versicherungsnehmer nachweist, dass die unvollständige oder unrichtige Angabe weder auf den Eintritt des Versicherungsfalls noch auf den Umfang der Leistungspflicht Einfluss gehabt hat (sog. „Kausalitätsgegenbeweis“). Falls der Versicherer dem Versicherungsnehmer erfolgreich die Deckung verweigert, hat der Versicherungsnehmer ein außerordentliches Kündigungsrecht, welches er innerhalb eines Monats nach Zugang der Deckungsverweigerung ausüben muss.

Zum anderen hat auch der Versicherer ein außerordentliches Kündigungsrecht innerhalb von einem Monat ab Kenntnis der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht. In diesem Fall kann der Versicherer mit einer Frist von einem Monat kündigen. Letztere Frist war in der Fassung Mai 2015 nicht enthalten und wurde mit der Fassung September 2015 eingeführt. Diese Monatsfrist stellt eine Verbesserung für den Versicherungsnehmer dar, da er nicht von jetzt auf gleich ohne Versicherungsschutz dasteht und sich dann um neuen Versicherungsschutz kümmern kann.

ADS DTV 2009, September 2015 stellt außerdem heraus, dass der Versicherer zur Leistung verpflichtet bleibt, und er nicht kündigen kann, wenn er die gefahrerheblichen Umstände oder deren unrichtige Anzeige kannte (Ziff. 22.3 ADS DTV 2009, September 2015).

Bereich Gefahränderung nach Vertragsschluss: Eine bedeutende Schlechterstellung des Versicherungsnehmers ergibt sich aus dem Vergleich Ziff. 11 DTV KK 1978 (92), der eine Erleichterung der in § 23 ADS vorgesehenen Gefahrstandspflicht des Versicherungsnehmers vorsah (Versicherungsnehmer darf Gefahr nach Abschluss des Versicherungsvertrags ändern, muss diese Gefahrenänderung aber anzeigen und eventuell Zusatzprämie zahlen), zum neuen 24.3 ADS DTV 2009 (von den Novellen Mai und September 2015 unverändert gelassen):

Ziff. 11 DTV KK 1978 (92): Hat der Versicherungsnehmer eine Gefahrerhöhung nicht angezeigt, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, es sei denn, die Verletzung der Anzeigepflicht beruhte nicht auf Vorsatz oder die Gefahrerhöhung hatte weder Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalles noch auf den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers.

24.3 ADS DTV 2009: Hat der Versicherungsnehmer eine Gefahrerhöhung nicht angezeigt, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, es sei denn, die Verletzung der Anzeigepflicht beruhte weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit oder die Gefahrerhöhung hatte weder Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalles noch auf den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers. (Hervorhebungen durch uns)

Während bei DTV KK 1978 (92) der Versicherer bezüglich der unterbliebenen Anzeige einer Gefahränderung nur dann leistungsfrei ist, wenn der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht vorsätzlich verletzt hat, so reicht bei ADS DTV 2009 bereits die grobe Fahrlässigkeit. 

Deckungsumfang: Eine weitere Schlechterstellung bedeutet in der Schadenabwicklungspraxis die Einführung der Ziff. 55.1 ADS DTV 2009 (von den Novellen Mai und September 2015 unverändert gelassen).

55.1 Der Versicherer leistet keinen Ersatz für einen Schaden, der durch gewöhnliche Abnutzung im Gebrauch oder durch Alter, Rost, jegliche Art von Korrosion oder Kavitation entstanden ist.

Dieser Bereich ist in Ziff. 27.1 DTV KK 1978 (92) wie folgt geregelt:

Der Versicherer leistet keinen Ersatz für einen Schaden, der durch Abnutzung im gewöhnlichen Gebrauch, Alter, Fäulnis, Rost, Korrosion, Wurmfraß oder Kavitation entstanden ist.

Während Ziff. 27.1 DTV KK 1978 (92) noch einigen Spielraum für die Deckung von gewissen Rost- und Korrosionsschäden gibt, schließt das neue Bedingungswerk Rost und jegliche Art von Korrosion kategorisch aus.

Als positiv für den Versicherungsnehmer ist zu verzeichnen, dass die Versicherer nach ADS DTV 2009 nur in solchen Fällen Leistungen verweigern können, in denen der Versicherte grob fahrlässig oder vorsätzlich gegen den (mit Ziff. 33 ADS DTV 2009 neu eingeführten) Begriff der Schiffssicherheitsbestimmungen grob fahrlässig oder vorsätzlich verstoßen hat. In den alten Bedingungen (Ziff. 23.1 DTV KK 1978 (92)) wurde allgemein die Seetüchtigkeit des Schiffes vorausgesetzt. Der Versicherungsnehmer kann sich nach den alten Regelungen entlasten, wenn er die Seeuntüchtigkeit nicht zu vertreten hat. Allerdings haftet der Versicherungsnehmer bei der alten Regelung auch für einfache Fahrlässigkeit.

Bei den neuen Bedingungen ADS DTV 2009 liegt die Beweislast beim Versicherer; er muss nur die Verletzung gegen die Schiffssicherheitsbestimmungen beweisen, nicht auch deren Kausalität für den Schaden. Die Beweislast für fehlendes Verschulden liegt wiederum beim Versicherten, wobei der Versicherte nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten hat. Einfache Fahrlässigkeit ist hingegen gedeckt. Dies bedeutet eine deutliche Besserstellung des Versicherten. Durch Bezugnahme auf konkrete, in internationalen Übereinkommen festgelegte Sicherheitsbestimmungen wird der Spielraum der Versicherten aber auch etwas eingeschränkt.

Die Novelle 2015 hat diesen Punkt neu geregelt. Ziff. 33 ADS DTV 2009 (September 2015 und bereits Mai 2015) trägt jetzt die Überschrift „Einhaltung von Schiffssicherheitsbestimmungen und Seetüchtigkeit“.

Der Versicherungsnehmer hat jetzt offenbar ein Wahlrecht zwischen dem neuen Konzept des Verstoßes gegen die Schiffssicherheitsbestimmungen (Haftung desVersicherungsnehmers nur für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit) und dem alten Konzept der Seeuntüchtigkeit (Haftung des Versicherungsnehmers auch für einfache Fahrlässigkeit).

Sofern nicht die in Ziff. 33.2 ADS DTV 2009 (Mai 2015) geregelten Seetüchtigkeitbedingungen im Versicherungsvertrag schriftlich vereinbart wurden, sieht Ziff. 33.1 ADS DTV 2009 (Mai 2015) vor, dass das Konzept der Einhaltung von Schiffssicherheitsbestimmungen gelten soll. Die Novelle September 2015 verlangt anstatt schriftlicher Vereinbarung im Versicherungsvertrag lediglich die Vereinbarung der Ziff. 33.2 in der Police.

Ziff. 33.1.2 ADS DTV 2009 (September 2015) bringt eine weitere Besserstellung des Kunden im Vergleich zur Fassung vom Mai 2015. Während nach der Fassung von Mai 2015 lediglich eine Schiffssicherheitsbestimmung verletzt sein musste, damit der Versicherer leistungsfrei sein konnte, muss in der Version September 2015 der Versicherungsnehmer die Schiffssicherheitsbestimmung verletzt haben. In der Vorversion hätte es ausgereicht, dass beispielsweise die Crew die Schiffssicherheitsbestimmungen verletzt, während es nun erforderlich ist, dass der Versicherungsnehmer selber die Schiffssicherheitsbestimmung verletzt.

Hat sich der Versicherungsnehmer ausdrücklich für das Seetüchtigkeitskonzept entschieden, so gilt nach der Fassung Mai 2015 die Ziff. 33.2.1.1, die exakt dem Wortlaut der alten Ziff. 23.1 DTV KK 1978 (92) entspricht. (Bemerkenswert ist allerdings der Redaktionsfehler in Ziff. 33.2.1.1, denn die Verwendung des Wortes „Lagerung“ anstatt „Ladung“ macht keinen Sinn.) In Ziff. 33.2.1.1 von September 2015 sind leichte Umstellungen erfolgt (allerdings wurde auch hierin der redaktionelle Fehler „Lagerung“ vs. „Ladung“ nicht korrigiert).

Durch die Einräumung des Wahlrechts könnte die Akzeptanz der neuen Bedingungen steigen. Es sei aber der Hinweis erlaubt, dass die Entscheidung für die Vereinbarung von Ziff. 33.2 in der Police nicht unbedingt die bessere für den Versicherungsnehmer ist, da er bei einer Belassung der Regelung Ziff. 33.1 für einfache Fahrlässigkeit nicht haftet. Außerdem kommt ihm die Bedingungsnovelle September 2015 noch insofern entgegen, als dass er eine Schiffssicherheitsbestimmung als Versicherungsnehmer selber verletzt haben müsste, damit der Versicherer von der Leistung frei werden kann. Weiterhin bleibt der Versicherer zudem auf jeden Fall dann ersatzpflichtig, wenn der Versicherungsnehmer nachweist, dass die Verletzung der Bestimmungen keinen Einfluss auf die Art und das Ausmaß des Schadens hatte oder dass die Verletzung der Bestimmung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht. (Ziff. 33.1.2 Satz 2 ADS DTV 2009 September 2015).

Ein weiterer Pluspunkt für den Reeder ist die neu geregelte Maschinendeckung. Bisher galt, dass das schadenauslösende Teil selber nicht erstattet werden konnte. Nur der vom fehlerhaften Teil ausgelöste Schaden war erstattungsfähig. Ziff. 59.2 ADS DTV 2009 sieht nun vor, dass der Versicherer auch für die mit dem Fehler bzw. Mangel behafteten Teile selbst Ersatz leistet, sofern diese Teile von einer Klassifikationsgesellschaft klassifiziert sind. Diese Regelung gilt nach Ziff. 59.1 ADS DTV 2009 sowohl für die Maschine als auch für das Schiff selbst. Das ist neu.

Bereits die alte Regelung stellt eine Besonderheit dar, da die Schadenursache bei einem verborgenen Mangel, der auf einem Material- oder Fertigungsfehler bzw. auf einem Konstruktionsfehler oder –mangel beruht, bereits vor Beginn der Versicherungspolice gesetzt wird. Der Versicherer haftet damit für Umstände, die nicht in dem Versicherungszeitraum auftauchen.

Die neue Regelung ist eine erhebliche Besserstellung für den Versicherten. Dagegen werden die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Versicherten in diesem Bereich enger gefasst. So wird der Versicherer leistungsfrei, wenn der Schaden durch grobe Vernachlässigung der maschinellen Einrichtungen insbesondere durch Nichtbeachtung von Wartungs- und Kontrollvorschriften oder Empfehlungen von Herstellern über einen längeren Zeitraum entstanden ist (Ziff. 58.2 ADS DTV 2009).

Als Fazit lässt sich festhalten, dass die Vorteile der ADS DTV 2009, September 2015 deren Nachteile gegenüber den „alten“ Bedingungen mit gewissen Einschränkungen überwiegen.

In Zusammenarbeit zwischen Reederei und Makler gilt es, die Besser- und Schlechterstellungen in ihrer Auswirkung für die jeweilige Reederei zu bewerten und ein für die Reederei passendes Deckungskonzept zu erstellen.

Bei Rückfragen und Diskussionsbedarf stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.

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